S. Wendt: Daughters of the American Revolution and Patriotic Memory in the Twentieth Century

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Titel
Daughters of the American Revolution and Patriotic Memory in the Twentieth Century.


Autor(en)
Wendt, Simon
Erschienen
Gainsville, FL 2020: University Press of Florida
Anzahl Seiten
XII, 283 S.
Preis
$ 90.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sandra Kraft, Universität Trier

Mit The Daughters of the American Revolution and Patriotic Memory in the Twentieth Century legt Simon Wendt, Professor am Institut für England- und Amerikastudien der Goethe Universität Frankfurt, die erste umfassende Darstellung einer der wichtigsten Frauenorganisationen der amerikanischen Zeitgeschichte vor. Dass es sich dabei nicht um eine klassische Organisationsgeschichte handelt, stellt der Autor in der Einleitung selbst klar. Vielmehr verfolgt er die ambitionierte Zielsetzung, Licht auf die Entstehung und aktive Gestaltung eines nationalen, patriotischen Gedächtnisses durch die Daughters of the American Revolution (DAR) zu werfen. Er zeigt dabei auf, wie Interpretationen der Vergangenheit nicht nur die Vorstellungen der Daughters von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und Nation in deren Gegenwart bestimmten, sondern auch, dass diese Ideen direkten Einfluss auf deren soziale und politische Aktivitäten hatten (S. 2). Wendt gelingt es dabei nicht nur, anhand von umfangreichen, illustrierten Beispielen die interne ideologische Entwicklung der Organisation nachzuzeichnen, sondern diese auch geschickt mit zentralen Themen der Zeit – Frauenrechte, Rassismus, Immigration – zu verknüpfen und unter dem Blickwinkel der Erinnerungskultur zu betrachten. Wendts Studie leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Geschlechtergeschichte, zur Sozial- und Kulturgeschichte und nicht zuletzt zur komplexen und noch immer strittigen Konservativismusforschung.

Gegründet im Jahr 1890, macht Wendt vor allem zwei Entwicklungen für die erfolgreiche Etablierung der DAR verantwortlich. Zum einen die langsam, aber stetig wachsende politische Teilhabe von Frauen in der Gesellschaft, zum zweiten das steigende Interesse an einer nationalen Erinnerungskultur, die von staatlicher Seite zunächst nur wenig gefördert wurde. Als genealogisches Gegenstück zu den Sons of the American Revolution war die Mitgliedschaft auf direkte weibliche (und weiße) Nachkommen von Patrioten des Unabhängigkeitskriegs begrenzt. Im wahrsten Sinne des Wortes konservativ, verfolgten die Gründerinnen das Ziel, den Beitrag amerikanischer (weißer) Frauen am Unabhängigkeitskrieg vor der Vergessenheit zu bewahren, und die Erinnerung an die amerikanischen Patrioten lebendig zu halten. Letzteres diente dem übergeordneten Ziel, patriotische Erinnerungen mit dem kulturellen Gedächtnis der Nation zu verknüpfen.

Im ersten Kapitel seiner thematisch gegliederten Studie widmet sich Wendt dementsprechend den Anstrengungen der DAR, die Bedeutung von heroischen Frauen während der amerikanischen Revolution hervorzuheben. Doch ihr Unterfangen, Frauen in der Geschichte als „so heldenhaft wie Männer“ (S. 7) darzustellen, bedeutete keine Forderung nach Gleichstellung. Vielmehr bestätigten sie traditionelle Geschlechterhierarchien und instrumentalisierten Erinnerungskultur, um diese auch weiterhin aufrechtzuerhalten. (S. 17) Auch in Kapitel 2, das sich mit dem Gedenken an westliche Pioniere und deren Bedeutung für die amerikanische Nationenbildung beschäftigt, zeigt sich dieses Paradox deutlich. Denn Pionierinnen rücken erst in einer späten Phase als „Pioneer mothers“ (S. 55) in den Fokus der Daughters. Gleichzeitig zeigt dieses Kapitel in beeindruckender Weise die historische Erinnerungsarbeit, die die Daughters während der ersten zwei Jahrzehnte des 20 Jahrhunderts leisteten. Neben der Sammlung von zahlreichen Erinnerungen noch lebender Pioniere, errichteten die DAR Hunderte von Gedenktafeln, die dazu dienten, die alten Pioneer Trails vom Osten bis in den Westen des Landes zu markieren. Von großen Gedenkfeiern begleitet, erreichten die Daughters so Tausende von Menschen. Eindrücklich zeigt Wendt an dieser Stelle, wie es der DAR gelang, kommunikative Erinnerungen in das kulturelle, nationale Gedächtnis zu übertragen und dabei gleichzeitig ihre Interpretation von Geschichte zu vermitteln. Zu welchen Widersprüchen dies führen konnte zeigt Kapitel 3, das sich mit der Faszination der Daughters für die Ureinwohner:innen Amerikas beschäftigt. Einerseits als „wilde Feinde“ der Pioniere hochstilisiert, werden die befriedeten „Indians“ vor allem unter den Vorzeichen von „white-Indian friendship and cooperation“ (S. 95) in der Erinnerungskultur zelebriert. Ganz anders gestaltete sich das Verhältnis der weißen DAR-Mitgliederinnen zu den Afroamerikaner:innen (Kapitel 4). Anders als die amerikanischen Ureinwohner:innen tauchen sie in der Erinnerungspolitik der DAR kaum auf. Eine „bewusste Amnesie“ (S. 128), die – zusammen mit einer kritischen Haltung gegenüber Immigration – den DAR dazu diente, ihre Vorstellung eines ethnischen Nationalismus (S. 142) zu begründen.

Die kompromisslose und rassistische Haltung gegenüber afroamerikanischen Bürger:innen brachte die DAR dabei schon Ende der 1930er-Jahre in die Kritik, doch erst in den 1970er- und 1980er-Jahren kommt es zu einschneidenden Veränderungen in der Organisation, wie der Autor in Kapitel 5 aufzeigt. Dass diese Veränderungen in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden, erklärt er aus der Tatsache, dass die Bedeutung der Organisation seit den späten 1920er-Jahren am Schwinden war. Nicht nur, was die eigentlichen Aktivitäten (Gedenkfeiern, Errichtung von Monumenten) betraf, sondern auch der ideologische Einfluss, den sie auf die Erinnerungskultur des Landes ausübte, ging zurück. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass der Autor für die zweite Zeithälfte der Geschichte der Organisation nur ein Viertel seines Buches aufwendet. Anders als den ersten vier thematischen Kapiteln fehlt dem letzten Teil auch ein historisch-thematischer Schwerpunkt. Vielmehr führt Wendt unter dem Aspekt des Wandels die zuvor untersuchten Stränge in diesem Kapitel zusammen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass sich auch lange nach dem 2. Weltkrieg kaum etwas an der ideologischen Grundhaltung der Daughters geändert hat.

Als scheinbar anachronistisch belächelt (S. 192), konnten die DAR dennoch ein Mitgliederwachstum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert verzeichnen. Mit ca. 185.000 Mitgliedern erfahren sie nach wie vor große Popularität, was sicherlich auch mit dem generell großen Interesse von Amerikanerinnen an genealogischer Forschung zu tun hat. Auch die Öffnung für afroamerikanische Mitglieder hat das ihre dazu beigetragen, die Reputation der Frauenorganisation wieder zu stärken. Doch spätestens seit der Wahl Donald Trumps erleben auch die lange in Verruf geratenen ideologischen Grundwerte der DAR eine Renaissance. Diese Kontinuitäten veranlassen Wendt auch zu der vorsichtigen Vermutung, dass die DAR viel stärker dem politischen Mainstream entsprach, als ihre liberalen Kritiker zugeben würden und es absolut „vorstellbar sei, dass zahlreiche Mitglieder der Wahl von Präsident Donald Trump applaudierten“ (S. 209).

An dieser Stelle wäre es in der Tat lohnenswert, die Einstellungen der Daughters und ihren Beitrag zum gegenwärtigen Konservativismus zu untersuchen. Dass der ethnische Nationalismus der (historischen) Daughters of the American Revolution (gerade im Hinblick auf Immigration) und Trumps Politik „Make America Great again“ nicht weit voneinander entfernt liegen, hat Simon Wendt eindrücklich vermittelt. Nun liegt es an Zeithistoriker:innen und Politikwissenschaftler:innen, die sorgfältig recherchierten und analysierten Kenntnisse aus Wendts Studie zum Ausgangspunkt für weitere Forschungen zu nehmen.

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